Unsere Geschichte

Geschichte des OV Hillegossen

von Annette Vormbrock

SPD-Ortsverein Hillegossen: Mut zur Zukunft seit 110 Jahren

Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand scheint den meisten von uns heute eine Selbstverständlichkeit zu sein. Sie mussten aber von unseren Großvätern und Urgroßvätern hart erkämpft werden. Als Partei der Industriearbeiter spielte die SPD auch in Hillegossen – damals und bis 1972 noch selbständige Gemeinde im Landkreis Bielefeld – eine wichtige Rolle. 1912 wurde der Ortsverein gegründet.

In Preußen galt bis zum Ende des 1. Weltkrieges noch das Dreiklassenwahlrecht (und auch das nur für Männer), so dass es Arbeitervertreter nur selten in die Parlamente und Gemeinderäte schafften. Dennoch war ein Sozialdemokrat schon 1914 Gemeinderatsmitglied. Hillegossen hatte damals ungefähr 1300 Einwohner.

Nach dem ersten Weltkrieg blieb die Situation dramatisch. Schon damals fehlten Wohnungen, die Löhne waren niedrig und in den Jahren der Inflation war der abends ausgezahlte Lohn schon am nächsten Morgen kaum noch etwas wert. Im Hillegosser Gemeinderat waren „bürgerliche“ (in der Regel Landwirte) und sozialdemokratische Vertreter (meist Fabrikarbeiter) fast immer gleichauf. 1922 wurde das erste Mal ein Sozialdemokrat Gemeindevorsteher (er „beerbte“ seinen Vorgänger, der während der Amtsperiode verstorben war) und später musste für die Vorsteherrolle bei Stimmengleichheit einmal das Los gezogen werden – hierbei unterlagen die Sozialdemokraten, stellten allerdings den Stellvertreter. 1930 – 1933 hatte Hillegossen dann wieder einen SPD-Gemeindevorsteher.

Für das Wohl der Gemeinde kooperierten die SPD-Vertreter auch mit denen der Bürgerlichen Partei. So gründeten sie zum Beispiel gemeinsam einen „Gemeinnützigen Bauverein Hillegossen“, der notwendiges Kapital für den Wohnungsbau beschaffen sollte.

Bei der Kommunalwahl 1929 erhielt die SPD mit Abstand die meisten Stimmen, und der Sozialdemokrat Fritz Daube wurde Gemeindevorsteher bis die Nationalsozialisten alle „marxistischen“ Organisationen verboten. Der Gemeindechronist notierte 1933: „… Die nat. Regierung wollte den marxistischen Einfluss brechen und ausrotten. Daher wurden zunächst alle marxistischen und kommunistischen Leiter von Gemeinden abgesetzt. …. Später mussten alle Marxisten aus den öffentlichen Körperschaften ausscheiden…“ Aufgrund des „Marxismus“-Vorwurfs wurden ebenso die SPD-nahen Kulturvereine wie der Arbeiter-Turn- und Sportvereine „Einigkeit“, der gemischte Chor „Lyra“ und die Naturfreunde verboten.

In den folgenden 12 Jahren waren nicht nur Sozialdemokraten ihrer Freiheitsrechte beraubt und durch Naziterror und 6 Jahre Krieg ständiger Lebensgefahr ausgesetzt.

Wer sein Leben nicht riskieren wollte, verstummte und äußerte seine Meinung nur noch in engstem vertrauten Kreis.

Nach den riesigen Zerstörungen, die die Nazis verursacht hatten, fanden sich die Sozialdemokraten 1945 wieder zusammen und gründeten den Ortsverein neu. Fritz Daube wurde wieder Gemeindevorsteher und man krempelte die Ärmel auf, um die Gemeinde wieder lebenswert zu machen. Wieder war Wohnungsmangel eins der großen Themen. Die Gemeinde wuchs und erhielt vor allem während der 23jährigen Amtszeit des sozialdemokratischen Bürgermeisters Walter Werning (1946-1969) die weitgehend heute noch sichtbaren Strukturen. Große Teile des Ackerlandes wurden parzelliert und mit Siedlungen bebaut, entsprechende Straßen wurden gebaut oder befestigt. Eine allgemeine Müllabfuhr wurde eingeführt, eine Wasserleitung und ein Wasserbehälter errichtet. 1960 erhielt die Gemeinde ein eigenes Freibad und die Schule bekam ein zweites Gebäude. Die alte Turnhalle wurde abgerissen und eine neue gebaut.

Als mit dem Bielefeld-Gesetz 1972 der Landkreis abgeschafft und die Gemeinden in die Großstadt Bielefeld integriert wurden, stieß das nicht überall auf ungeteilte Begeisterung. Die kurzen Wege, die Eigenständigkeit, das vertraute Verhältnis zu den Gemeindepolitikern, mit denen man auf „Du-und-Du“ war, würde fehlen. Der letzte Bürgermeister der Gemeinde, der Sozialdemokrat ErwinKranzmann, regierte wegen der Eingemeindung nur 3 Jahre. Aber der Zusammenschluss war notwendig, die moderne Infrastruktur war durch kleine Gemeinden nicht mehr erfolgreich sicherzustellen.

Seitdem engagieren sich Sozialdemokraten in der Bezirksvertretung Stieghorst und stellten auch viele Jahre den Bezirksbürgermeister oder die Bezirksbürgermeisterin. Im Ortsteil Hillegossen, wie die frühere Gemeinde nun hieß, sorgten die SPD-Mitglieder weiterhin für lebendigen Zusammenhalt.

Eine eigene Zeitung („Bürgerbrief“) sorgte einige Jahre für politische Information, der jährliche Dorftreff auf dem Schulhof war jedesmal ein gut besuchtes Ereignis, das niemand gern verpassen wollte. Selbst die Altpapiersammlungen entwickelten sich zu beliebten Treffpunkten. Lange bevor Mülltrennung und Altpapiersammlung durch die Stadtverwaltung realisiert wurde, sammelte die SPD in Hillegossen aus Umweltgründen einmal im Monat Altpapier auf dem Parkplatz neben dem Schulhof in einem extra aufgestellten Großcontainer. Auch dort traf man sich und kommunizierte. Klar, dass bald auch Stehtische und Warmhaltekannen mit Kaffee zur Stelle waren und die Samstagvormittage, an denen Altpapiersammlung war, fest im Kalender der Bürgerinnen und Bürger standen.

Engagiert und bürgernah war der SPD-Ortsverein weiterhin ein fester Bestandteil im Hillegosser Leben. Große Informations- und Diskussionsveranstaltungen brachten Prominente Politiker in die Hillegosser Turnhalle, Studienfahrten in den Landtag, den Bundestag und das Europäische Parlament sorgten für Einblicke in die „große“ Politik. Schnatgänge sorgten einmal im Jahr für den direkten Blick auf unseren Wohnort.

In den letzten Jahren standen wieder sichtbare Veränderungen an. Viele neue Einwohner sind dazugekommen. Weitere Siedlungen sind entstanden, die Schule wächst und die Zahl der Kindertagesstätten ebenfalls. Die Menschen treffen sich nicht mehr so gern in traditionellen Vereinen, evangelische Gottesdienste finden in Hillegossen nun nicht mehr statt. Die digitale Kommunikation ist an vielen Stellen selbstverständlich geworden und hat direkte Gespräche ersetzt. Die Zahl der Probleme, die politisch gelöst werden müssen, scheint zu wachsen. Klimawandel, Verkehrsprobleme, Ganztagsschule, Kitaplätze und wieder einmal Wohnungsmangel und schließlich auch noch die Coronapandemie lassen uns manchmal fragen, wie wir das alles schaffen sollen.

Aber: zeigt der Blick in die Vergangenheit nicht, dass schon Situationen bewältigt wurden, die noch viel schlimmer waren? Schon die ersten Generationen der Industriearbeiter habe Vieles erreicht. Inzwischen ist Bielefeld vom Industriestandort zum Ort unterschiedlichster Gewerbe und Dienstleister geworden. Aber immer noch gibt es Menschen in sozialen Notlagen, Kinder mit schlechteren Lebenschancen und junge Menschen mit unklaren Zukunftsaussichten. Sozialdemokratische Politik ist notwendig wie vor 150 Jahren und wir wollen unseren Beitrag dazu weiterhin leisten.

Auch der zwischenmenschliche Kontakt und die Kommunikation untereinander sind uns weiterhin wichtig. Altpapiersammlung und Dorftreffs lassen sich nicht einfach fortsetzen. Neue Formate treten an ihre Stelle.

Wir haben nun endlich eine Internetseite. Hier wollen wir wieder dem alt bekannten Mix aus Information, Meinung und guter Nachbarschaft einen Platz bieten, diesmal eben digital.

Aber wir hoffen auch, bald wieder eine neue Tradition echter Treffs und direkter Kommunikation zu schaffen.

Wir freuen uns auf die nächsten gemeinsamen Jahre!

Und hier noch ein Hinweis des Admin:

sehr schöne Überblick über die Bielefelder Geschichte der SPD