Mein zukunftsweisender Tag
„Ihre Sache ist hier in guten Händen. Ich werde niemanden von ihnen zurückschicken.“
Diesen Satz sagte der damalige Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Schnoor, als er am 12. Dezember 1989 mit ca. fünfzig ezidischen (es gibt mehrere Schreibweisen für Yesidis, Anm. des Admin) Flüchtlingen, unter denen auch meine Familienangehörige waren, in der Staatskanzlei in Düsseldorf, zusammensaß. Zuvor bereiste er gemeinsam mit Professor Wiesner das Siedlungsgebiet der Eziden in der Türkei, darunter auch meine Geburtsstadt Midyat und das Dorf meiner Eltern (Güven/Bacin). In den Dörfern hat Herbert Schnoor sofort die Herzen der Mensch gewonnen, weil er sich nicht für etwas Besseres hielt, sondern sich den Lebensbedingungen der Menschen anpasste und sich so benahm, als wäre er einer von ihnen.

Das Versprechen, was er eingehalten hat, führte dazu, dass meine Familie in Deutschland bleiben durfte. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits fünfzehn Jahre alt. Wir hielten uns schon seit zwei Jahren in Deutschland auf und lebten mit der ständigen Angst abgeschoben zu werden. Man kann sagen, dass der 12. Dezember 1989 der entscheidende Tag in meinem Leben war. Ab diesem Tag hatte meine Familie wieder eine Perspektive und eine Zukunft in Sicherheit und Demokratie.
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Mein Ankommen in Deutschland
Aufgewachsen bin ich in der Verbandsgemeinde Waldbreitbach in Rheinland/Pfalz. Ich habe dort sehr schöne Jahre erlebt, die mich sehr stark geprägt haben. Wobei die ersten Monate in dem Dorf Goldscheid

(ca. 20 Häuser) für mich die schwersten Monate meines Lebens waren. Ich hatte alles verloren. Wenn es die Menschen, die mich aufgefangen und mir Mut gemacht haben, nicht gegeben hätte, wäre ich wahrscheinlich an der Sehnsucht nach meiner Geburtsstadt, nach meinen Freunden, nach meiner Sprache und nach meiner vertrauten Umgebung, einfach nur kaputtgegangen. Es gab keinen Tag, wo ich nicht weinte. Ich wollte nur noch wieder zurück.Dann gab es eine entscheidende Begegnung, die mir den optimalen, integrativen Weg in Deutschland ebnete. Als ich eines Tages außerhalb des Dorfes spazieren ging, arbeitete ein Landwirt auf seinem Feld. Ich bin auf ihn zugegangen und

soll ihm mit gebrochenem Deutsch „Du viel Arbeit, ich nix tun“ gesagt haben, so berichtete mir der Landwirt viele Jahre später. Es war Herr Reifenhäuser, den ich angesprochen hatte. Und ab diesem Zeitpunkt begann mein neues Leben. Wir befreundeten uns mit der Familie Reifenhäuser. Sie halfen uns in allen Lebenslagen. Vormittags ging ich in die Schule und nachmittags hielt ich mich meistens bei der Familie Reifenhäuser auf. Ich half ihnen bei der Landwirtschaft und sie unterstützen mich bei den Hausaufgaben und brachten mir Deutsch bei. Marlies schmückte mit mir meinen ersten Weihnachtsbaum. Zu Ostern backten wir gemeinsam Osterlammkuchen. Gute Noten wurden von Marlies Reifenhäuser immer honoriert, als ob ich Ihr eigener Sohn wäre. Aber auch die beiden Söhne, Rainer und Markus, standen mir immer zur Seite. Marlies und Manfred Reifenhäuser sind leider schon verstorben. Aber zu den Söhnen habe ich noch regelmäßigen Kontakt. Die Familie Reifenhäuser, und alle anderen Bewohner des Dorfes Goldscheid, aber auch mein Klassenkamerad und Freund Stephan Dasbach und seine Schwester Melanie, die mir jahrelang zur Seite standen, werden mir immer in guter Erinnerung bleiben. Denn sie alle haben mir den weiteren Anlass dazu gegeben Deutschland zu lieben.
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Mein gewerkschaftliches Engagement
Meine Eltern waren keine reichen Menschen. Aber das, was sie hatten, haben sie, wenn es erforderlich war, immer mit denen geteilt, die noch weniger hatten. Diesen Solidaritätsgedanken habe ich quasi in die Wiege gelegt bekommen. So war es für mich eine Selbstverständlichkeit in die Gewerkschaft einzutreten, um z.B. für gleiche Löhne für Mann und

Frau zu kämpfen. Ich bin nun seit zweiundzwanzig Jahren Mitglied der IG-Metall. Als Mitglied im Betriebsrat und als Vertrauensmann der Gewerkschaft für Menschen mit Behinderung im Betrieb, habe ich mehrere Jahre auf der Seite der Arbeitnehmer gekämpft und manche Erfolge erzielt. Die Wichtigkeit der gewerkschaftlichen Organisation wurde mir, insbesondere während unseres Kampfes gegen den Austritt unseres Arbeitsgebers aus dem Arbeitgeberverband, bewusst. Nur durch den hohen Organisationsgrad waren wir in der Lage den Arbeitgeber wieder in den Arbeitgeberverband zu bestreiken.
Wir sollten zukünftig generell darauf achten, dass durch den Fortschritt im Bereich Klimaschutz, Wirtschaft und Digitalisierung die Menschen nicht auf der Strecke bleiben. Nur mit starken Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und einem aktiven, handlungsfähigen Staat, werden wir die Herausforderungen der Zukunft bewerkstelligen können
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Meine Motivation für die Landtagskandidatur

Es sind nach unserer Einreise nach Deutschland nun vierunddreißig Jahre vergangen und ich fühle mich mittlerweile seit Jahren in der Pflicht, den Menschen in diesem Land, in irgendeiner Form, Danke zu sagen.
So engagiere ich mich seit Jahren ehrenamtlich, um den Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen. Die meiste Zeit meiner Freizeit widme ich dem Gemeinwohl unserer Gesellschaft.
Ich möchte nun zu den Entscheidern gehören, die unsere Politik auf Landesebene bestimmen, weil es dort mehr Möglichkeiten gibt, Verbesserungen im Leben vieler Menschen herbeizuführen (z.B. in den Bereichen Arbeit und Soziales, Familien und Bildung, Gesundheit und Pflege, Wohnen). Hier werden z.B. die Erfahrungswerte meiner Frau, die im Bereich der Altenpflege tätig ist, bei meiner Politikgestaltung sicherlich hilfreich sein.